Folgender Text von Franz Josef Hugi erschien 1828 in der Zeitschrift für Mineralogie, Heidelberg
«Bei einer Untersuchung des Nidlenloches, einer südwärts zu Tage sich öffnenden Felsen-Schlucht auf dem hinteren Weissenstein, fand HUGI folgende naturhistorische Ergebnisse. Gleich beim Eingange der Höhle gewahrte er einen zweifachen Luftstrom. Oben strich die Luft zu Tage, und unten zu Berge, und nur in der Mitte der entgegengesetzten Strömung konnte das Kerzenlicht erhalten werden. Die untere eingehende Strömung erzeigte eine Temperatur von +4°R., wie die äussere Luft; die zu Tage gehende Strömung hingegen zeigte +12°. 8 - 16° R., woraus er schloss, dass die Höhle an keinem andern Punkte zu Tage breche, und der Luftzug in der Tiefe gänzlich aufhöre, was sich auch erwahrte. Anfangs ging die Reise 20 F. über fast senkrechte Felsen hinunter, wo dann die mächtige Schichtenspalte nach ONO. sich wendet, und der Weg unter einem Winkel von 45°, 200 F. weit durch wildes Stein - Getrümmer, in feuchter Luft und zwischen schmuzzigen, nassen Felswänden, tiefer hinabführte. Bis zu einer Tiefe von 150 F. war von Stalaktiten-Bildung keine Spur zu erkennen, und von 150 bis 300 F. Tiefe waren die Wände nur mit dünnen Tuff-Massen, ohne bestimmte Stalaktiten-Natur anzunehmen, bekleidet. Diese Tuff- oder Eisenblüth-artigen Gebilde, welche von 150 bis 300 F. Tiefe aus den Kanten des Gesteines, den Gesezzen der Fels-Bildung zuwider, wie Bäumchen mit ihren Aesten, in die freie Luft emporwachsen, betrachtet HUGI als die tiefsten Pflanzenformen, als die Uebergangs-Glieder des Mineralischen zum Vegetabilischen. Sie erscheinen nur, wenn der Hygrometer sehr tief ist, und verschwinden beim Steigen desselben. Die Aeste und Zweige derselben sind mit den feinsten, weissen Blättchen besezt, die bei der geringsten Berührung, und auch ohne dieselbe, mit dem Jahreswechsel periodisch abfallen, und sich wieder erneuern. Nach seiner Ansicht nehmen diese Gebilde, die er noch in vielen andern Beziehungen mit den tiefsten Pflanzenformen parallelisirt, ihre Nahrung durch ihre Blättchen meist aus der Atmosphäre. - Bei 300 F. Tiefe stieg der Hygrometer bei stiller, warmer Luft + 12° R. auf 40, was bis dahin noch nicht der Fall war; die pflanzenartigen Tuff-Gebilde verschwanden, und die eigentliche Stalaktiten- oder Krystall-Region trat auf. Die Höhle bildete hier ein regelmässiges Kegel-Gewölbe, unten von 20 F. Durchmesser, welches die Lichter bis auf 100 Fuss hoch zu erhellen vermochten.
Die in Menge hier erscheinenden Stalaktiten waren von faseriger Bildung, und bedeckten 1 bis 5 Zoll dick das alte Gestein. Die Mächtigkeit der Faser-Schichten richtet sich nach der Dicke der einzelnen Krystalle. Ist das Gefüge fein, so ist die Schicht dünn, und umgekehrt. Nie legt sich über eine geschlossene Schicht eine neue. Aus einer, vor sechs Jahren am nämlichen Plazze gemachten, Beobachtung zu schliessen, kann eine ganze Schicht in 60 Jahren vollendet seyn, wo dann die dreiseitigen Flächen der Pyramiden sich decken und das Gebilde schliessen. Die Stellen, wo HUGI vor sechs Jahren einzelne Stücke weggebrochen hatte, waren schon wieder 2 bis 3''' mächtig damit überzogen. - Von 500 bis 1100 F. wird die Schlucht immer schauerlicher und gefahrvoller, mit 30 F. Proz. immer tiefer, bis zu einem Wasserbehälter führend, in welchem, im nämlichen Sommer, das Wasser noch um 2 F. höher gestanden, aber von Goldgrabern abgeleitet worden ist. Von da geht der Weg wieder 800 F. stark in die Höhe, bis er in zwei zertrümmerte Sack-Gänge sich verliert, von denen der eine wieder abwärts, der andere aufwärts führt, und keiner mehr zu durchkriechen ist. Die Spalte erreicht oft kaum eine ausserordentliche Höhe, gestattet hingegen oft kaum einen Durchgang. Der Boden besteht blos aus Trümmern, die oben sich losgetrennt und zwischen Felsen eingekeilt haben. Oft geht die Reise in der Spalte in freier Luft, meist aber ist das eingekeilte Gestein mit reinerem Schutte bedeckt.»
Quelle: Zeitschrift für Mineralogie. II. Band. Heidelberg 1828. Akademische Buchhandlung von J. C. B. Mohr.